Längenmessung in der Mikrowelt - die Neubauer Zählkammer

Was haben Planktonzüchter mit im Sandkasten spielenden Kindern gemeinsam? Beide benutzen Siebe! Erst nimmt das Kind das grobe Sieb und in diesem bleiben die Äste, Legosteine, die weggespukten Kirschkerne und Hinterlassenschaften der Katzen hängen. Dann nimmt es das feinere Sieb und schon hat es eine herrliche Auswahl von Steinchen, Playmobil-Bärten und Cervelat-Verschlussklammern vor sich. Ganz zum Schluss kommt das ganz feine Sieb und unten kommt Staub raus und im Sieb bleibt Sand hängen. Etwa ähnlich stelle ich mir den Vorgang vor um z.B. Zooplankton aus einer Phytoplanktonkultur zu entfernen: Zooplankton ist im Verhältnis zu Phytoplankton riesig und nimmt man ein Netz, das fein genug ist, kommt unten reinstes Phytoplankton raus und das Zooplankton mitsamt dem ganzen Playmobil- und Cervelatszeugs bleibt im Sieb hängen und kann den Fischen verfüttert werden.

Wie fein muss allerdings dieses Sieb sein? Sogenanntes Maschen- oder Siebgewebe kann man im einschlägigen Handel in verschiedenen Feinheiten kaufen; aber welcher ist der richtige für meinen Zweck? Irgendwie muss ich rausfinden, wie gross die Sachen, welche ich unter dem Mikroskop betrachte, eigentlich sind. Im eBay finde ich etwas, das passend scheint und nicht allzuviel kostet: Eine Neubauer Zählkammer. Das Teil ist eigentlich dafür gedacht, dass Medizinische Praxisassistentinnen (aka Arztgehilfinnen) damit weisse und rote Blutkörperchen auszählen. Mit dieser Information kann der Arzt dann sagen, ob man sich tatsächlich an ranziger Guacamole den Magen verdorben hat oder man nur simuliert um die Fussball-WM zu gucken oder wahlweise sämtliche Harry Potter Bände in einem Zug durchzulesen. Ich bin mir nicht sicher, ob eine junge MPA des 21. Jahrhunderts dies noch mit einer Neubauer Zählkammer macht oder hierfür ein 100'000 Franken Analysegerät benutzt, aber in der Berufsschule wird dies sicher mal geübt oder zumindest demonstriert.

Im Wiki finde ich folgenden Artikel:
Eine Zählkammer ist im Prinzip ein virtueller Ausschnitt aus einem Zwischenraum, der durch zwei ebene, in geringem Abstand parallel angeordnete Glasflächen begrenzt wird. Die Zählkammer wird auf einer Glasplatte, ähnlich den für lichtmikroskopische Untersuchungen verwendeten Objektträgern, gebildet. Diese ist jedoch dicker (etwa 5 mm) und weist eine besondere Ausbildung der Oberfläche auf. Eine dünne, genau plangeschliffene und polierte Glasscheibe, das sogenannte Deckglas, wird in einer bestimmten Höhe parallel über der dickeren, größeren Grundplatte angeordnet. Durch Strichmarkierungen auf der Oberfläche der Grundplatte wird ein zwischen Grundfläche und Unterseite des Deckglases befindlicher Raum markiert, dessen Volumen durch die markierte Grundfläche und den Abstand zwischen Grundfläche und Deckglasunterseite (Kammerhöhe) bestimmt ist. Dieser Raum mit bekanntem Volumen ist die eigentliche Zählkammer. Zählt man mikroskopisch nach Einbringen einer Teilchensuspension in diese Kammer die in dem markierten Volumen vorhandenen Teilchen, ergibt sich aus deren Zahl und dem Volumen die Konzentration der Teilchen.
(aus de.wikipedia.org)

häääää??? Na ja, sehr schlüssig ist dieser Text ja nicht. Viel besser ist diese Anleitung trotz des kryptischen Links: http://www.researchgate.net/publictopics.PublicPostFileLoader.html?id=5251c7afcf57d7d123046b4d&key=e0b495251c7afb206d

Die Zählkammer ist ein Präzisionsmeßgerät aus optischem Spezialglas. Sie wird verwendet, um Zellen oder andere Partikel in Suspensionen unter dem Mikroskop zu zählen. Hauptsächlich werden Zählkammern zur Zählung von Zellen im Blut (z.B. Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, etc…) und zur Zellzählung im Liquor verwendet. Außerdem dienen Zählkammern auch der Zählung von Bakterien, Sperma und Pilzsporen.

Auf jedem Fall übe ich mit meiner Zählkammer und tatsächlich gelingt es mir dann nach einigen Fehlversuchen zwei Cyliaten und einen weiblichen Tiggerpod zu vermessen.

Eine Neubauer Zählkammer für 16 Euro aus der Bucht


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Eine extradicke Grundplatte aus geschliffenem Glas; dafür gibt es sogar eine DIN-Norm


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zwei Spezial-Deckgläser sind auch dabei, eines mache ich mit meinen Wurstfinger innerhalb der ersten 5 Minuten kaputt. Zur MPA tauge ich somit nicht…


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Mit destilliertem Wasser werden die beiden Stege befeuchtet


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damit sich das Deckglas aufschieben lässt und es dank Adhäsion mit minimalstem Abstand haftet: Der entstehende Spalt ist genau 0.1mm "dick"


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Das zu testende Medium, bei mir Phytoplanktonlösung, beim Onkel Doktor Blut, wird mittels Kapillareffekt automatisch in die Zählkammer gesaugt


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Jetzt kommt die Chose unter's Mikroskop


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Bei voll abgeblendetem Kondensor ist sowohl das Gittermuster, wie auch das Objekt zu erkennen: Hier zwei Cyliaten


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Ein Gitter ist 0.25x0.25mm gross, unser Wimpertierchen demnach etwa 0.1mm lang


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Es ist etwas tricky, den Tiggerpod genau dann mit dem Deckglas zu fixieren, wenn er grad über dem faktisch unsichtbaren Gitternetz seine Runden dreht


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Dieses weibliche Pödchen habe ich erwischt: Ihr Körper ohne Antenne und "Schwanzfedern" ist 3mm lang


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