Schoppingrausch im Sektenladen

Heute Nachmittag gehe ich mit meinen beiden Teenagern (ich kann ja nicht "Kinder" schreiben) shoppen in die weihnachtlich beleuchtete Altstadt von Winterthur. Normalerweise wollen meine beiden Engelchen eigentlich in der Stadt, wo sie zur Schule gehen, nicht in Begleitung von Elternteilen gesehen werden. Ich frage mich deswegen, was wohl heute in sie gefahren ist? Vielleicht haben sie die Dämmerungsverhältnisse und die spärliche Beleuchtung einberechnet und damit die Chancen unerkannt zu bleiben günstig eingeschätzt? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich heute zufälligerweise nicht ganz so peinlich wie sonst angezogen bin (Jeans, blaues T-Shirt und Jacke; das muss ich mir merken!). Jedenfalls verlief der Nachmittag äusserst harmonisch und so liess ich mich nicht lumpen und nebst dem Probieren von "Vollenweider Theaterkugeln" (der besten Praline der nördlichen Halbkugel; wenn nicht der ganzen Welt, denn die Südhalbkugel ist nicht bekannt als Produzentin von Schokoladenkugeln) habe ich die Füsse meiner Nachkommenschaft und diejenigen ihres Erzeugers mit neuen Winterschuhen ausgestattet.

Natürlich gingen wir auch auf den Weihnachtsmarkt und nebst den vielen Ständen mit Heizdecken, Weihnachtsdekoration, Kerzen und sonstigen unnützen Zeugs, gibt es da einen Stand mit ungarischen Lebensmitteln, bei dem ich alle Jahre mit meinen zusammengeklaubten Resten von eingerostetem Hausungarisch Kolbàsz (ungarische Wurst) und Töpörtyü kaufe. Ich muss meinen Lesern nicht erklären, was ungarische Wurst ist: Das kann sich jedermann vorstellen und das Erzeugnis aus der Land der Magyaren is zwar äusserst schmackhaft aber ehrlich gesagt auch besser als italienische, spanische, türkische oder senegalesische Wurst. In Hinblick auf Wurst hält sich mein Patriotismus zum Land meiner Ahnen doch in Grenzen. Der absolute Knüller ist aber "Töpörtyü", in Teilen Österreichs oder vielleicht auch in ländlichen Gegenden von Süddeutschland als "Grieben" bekannt. Es handelt sich dabei um Stücke von Schweinehaut mit dem darunterlegenden Unterhautfettgewebe, welches in der Pfanne gebraten wird. Den Vorgang nennt die ländliche Hausfrau "auslassen" und war zu Zeiten meiner Grossmutter die gängige Methode zur Herstellung von Bratöl für die anschliessende Zubereitung von Wienerschnitzel. Die Schweinehaut schrumpelt zusammen, man lässt diese auf einem Blech oder Sieb auskühlen und isst sie dann in Salz getunkt mit frischem Brot und dazu (so zumindest die Ungarn) Paprika oder rohe Zwiebel. Ich weiss, dass ich nun wegen dieser Beschreibung 100% meiner gegangen und gut 2/3 meiner vegetarischen Leserschaft verloren habe aber ich bringe zu meiner Verteidigung vor: Das Zeugs schmeckt wunderbar würzig, ist knusprig und erinnert mich an meine Kindheit!

Den absoluten aquaristischen Knüller entdecke ich allerdings in einem Geschäft, welches ich nur recht selten betrete: Es handelt sich um einen Laden am Oberen Graben in Winterthur, der Madal Bal heisst. Die Luft im Geschäft ist geschwängert vom Duft von Räucherstäbchen und die Tablare sind voll mit Tand aus Fernost. Die Verkäuferin trägt einen Sari (darüber einen selbstbestrickten Pulli, offenbar ist ihr kalt, denn Winterthur liegt im Gegensatz zu Kalkutta ja nicht am Ganges) und hinter der Kasse hängt das Bild von Sri Chinmoy. Der Name "Sri Chinmoy" ist mir vor etwa 30 Jahren das erste Mal begegnet in Zusammenhang mit Marathonläufen: Der Herr war nicht nur ein indischer Philosoph, Denker und Sektenguru, sondern auch Ausdauersportler. Wie ich nun auf Wiki rausgefunden habe, gibt es in der Schweiz eine ganze Reihe von Madal Bal Läden und der Firmengründer sei von Sri Chinmoy inspiriert. Religionen, Sekten und Gurus sind nicht mein Ding aber dennoch muss ich zugeben: Der Laden hat es in Sachen Aquaristik echt drauf: Nicht nur finde ich darin einen Magnetnemo, sondern auch eine Fischleuchte, welche mir mit 13 CHF durchaus erschwinglich erscheint: Also lasse ich mich nicht lumpen und rühre hier die Werbetrommel für das Geschäft! Hier noch mein Tipp: Vor dem Betreten tief einatmen, direkt zu den Fischlampen laufen, eine nehmen, den vorher abgezählten Betrag von 13 CHF auf den Tresen legen und rauslaufen. Auf diese Weise vermeidet man es, seinen Körper mit der von Räucherstäbchen und Sektenführern geschwängerten Luft sakral zu verunreinigen.

Das Resultat meines vorweihnachtlichen Einkaufsrausches: Lauter unentbehrliche Sachen!


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Kürbiskernöl kommt in eine meiner Lieblingssalatsaucen und aus der Rapsölbutter und den Raps-Kernen gibt es heute eine leichte Vorspeise (geröstete Weissbrotscheibe, bestrichen mit Rapsölbutter und darauf geröstete Raps-Kerne)


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Hier schlagen meine ungarischen Gene durch: Kolbàsz (scharfe Salami) und Töpörtyü (Grieben)
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Für sowas muss man wohl ungarische Chromosomen haben: Wie sonst könnte man gebratene Schweinehaut lecker finden?


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Essentielle Küchenutensilien aus dem Skandinavien-Billgladen. Topflapfen (2 CHF) und eine Kochmütze (8 CHF)


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Ein Nemo-Magnet aus Sri Chinmoy's Ladengeschäft in Winterthur


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Jetzt werden meine Leser aus ihren Sesseln springen: Die Attraktion des Tages!


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"Es werde Licht und es ward Licht" für 13 CHF aus dem Madal Bal in Winterthur


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So sieht das Geschäft von aussen aus


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