Der schönste Tauchgang meiner Ferien

Meine Leser werden es bemerkt haben: Für zwei Wochen war Ruhe im Körbchen und von mir nichts zu hören. Letzte Woche war ich in La Ferrière im Jura und habe einer Klasse von 17-21 Jährigen Gymnasiasten aus Basel die Grundbegriffe der Wirtschaft beigebracht. Ich mache dies im Rahmen der Wirtschaftswochen und werde von meinem Arbeitgeber für diese Tätigkeit von der Arbeit freigestellt. Im Zentrum der Ausbildung steht eine Wirtschaftssimulation, bei welcher die Schüler in 4 konkurrenzierenden Gruppen ein Unternehmen über 5 Geschäftsjahre führen. Im Rahmen der Simulation werden die Schüler an Themen wie Marketing, Finanzen, Investitionen und Personal herangeführt und müssen Geschäftsberichte analysieren, Entscheide fällen, Investitionen tätigen, Maschinenauslastungen berechnen, eine Marketingkampagne entwerfen und Verhandlungen führen. Die Woche war zwar anstrengend aber äusserst befriedigend.

Die Woche zuvor war ich auf einer Tauchsafari im Roten Meer. Dieses Mal war ich auf der Blue Pearl auf der Route von Marsa Alam - Elphinstone - Daedalus - Zabargad - Rocky - Marsa Alam. Das Wetter war sehr angenehm (tagsüber 27-29 Grad Lufttemperatur), das Wasser immer noch sehr war bei 27 Grad und wir hatten nur wenig Wind und somit ruhige See. Auf mehreren Tauchgängen haben wir Hammerhaie und Longimanus gesehen, mein Highlight war aber ein anderer Tauchgang, von dem ich nun berichten möchte.

An einem Tauchgang, gegen Ende der Woche, waren wir nur zu Viert in einem Schlauchboot und wurden an der Nordseite eines NW-SE ausgerichteten Riffes ausgeladen. Vom Briefing wussten wir, dass das Riff keinen Drop-off hat (also nicht einen der üblichen fast senkrecht abfallenden Wände), sondern dem Riff ein flacher Korallengarten vorgelagert ist. Ans südöstlichen Ende des Riffes schliesse ein weiteres, kleineres rundes Riff an, dieses sollen wir östlich umrunden (also Riff rechte Schulter) und kämen dann am Südende wieder zu unserem Safariboot, welches da vor Anker liegt. Mein Buddy und ich liessen uns auf das Signal hin rückwärts aus dem Schlauchboot fallen, tauchten auf eine Tiefe von 5 Metern ab um uns dann gegenseitig das Okay-Zeichen, als Signal für das weitere Abtauchen, zu geben. Erst tauchten wir auf einer Tiefe von 16-18 Meter rechtwinklig vom Riff weg über einen schönen Korallengarten voller Steinkorallen. Nach einer Weile meinte mein Buddy, ein sehr guter Taucher mit viel Süsswassererfahrung aber das erste Mal im Roten Meer, dass wir nun nach links, also in Richtung Norden abbiegen sollen. Ich war einigermassen verwirrt, denn unsere allgemeine Richtung wäre ja eigentlich Richtung Süden, aber vielleicht lag ich ja falsch…? Dann kamen wir zu einem Canyon aus Steinkorallen, ca 3-4 Meter hohe Stämme einer mir unbekannten Korallenart mit armdicken Säulen. Mein Buddy war etwas weiter von mir entfernt (vielleicht 10-15 Meter) und die Mädels hinter uns (das 2. Buddy Team) folgte uns offensichtlich, war aber noch 30-40 Meter hinter uns. Vor mir sehe ich einen Schwarm von etwa 200-300 gelben Fischen bewegungslos etwa 2 Meter über dem Grund schweben. Langsam und ohne zu atmen (man ist ja schliesslich Apnoetaucher…) nähere ich mich von hinten dem Schwarm. Die Fische, jeder etwa 25cm lang, scheinen mich wahrzunehmen aber bleiben unbeeindruckt und stoisch in der Wassersäule stehen. Also rücke ich sachte vor, bis ich mich mitten im Schwarm befinde. Aus den Augenwinkeln schaue ich nach links und dann nach rechts und halte weiterhin die Luft an. Nun bewegt sich der Schwarm nach rechts und so drehe auch ich mich leicht nach rechts. Der Schwarm kommt zum Stillstand und ich kann vorsichtig etwas Luft ausatmen und einen tiefen Atemzug nehmen. Nun dreht der Schwarm nach links und gehorsam folge auch ich dem Schwarm in die neue Richtung. Nun bleibt der Schwarm regungslos stehen und scheint mich als Mitglied in ihrem Verbund aufgenommen zu haben: Ich bin zwar nicht gelb, viel zu gross und ungeschickt, stinke nach Gummi, mache Lärm beim Atmen aber sonst scheine ich aus Fischsicht ganz okay zu sein.

Nun tauchen wir, unsere Kolleginnen haben inzwischen zu uns aufgeschlossen, durch den Canyon. Wir folgen zwei Fledermausfischen, welche die Grösse und Form von Klodeckel haben. Die Unterwasserlandschaft ist bizarr und gleicht dem Grand Canyon aus der Vogelperspektive. Die Korallen sind nicht verästelt und bieten den kleineren Riffbewohnern nur wenig Schutz, darum sind zwischen den hohen Säulen nur wenig Fische auszumachen. Wir tauchen durch den Canyon und ich fühle mich erinnert an die Szene aus "Independence Day", bei der ein Kampfjet eine fliegende Untertasse im Tiefflug durch den Grand Canyon jagt (um kurz darauf abzustürzen und stinksauer den Ausserirdischen an seinem Schwanz aus dem Ufo zu zerren). Wie wir aus dem Canyon herauskommen ist nun wieder die Zeit gekommen mich zu orientieren: Ich schaue auf meinen Kompass und versuche mich an die Zeichnung beim Briefing zu erinnern: "Norden war oben, das Riff läuft nach Süd-Ost, dann kommt das kleine Riff und dann unser Boot…." Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht und die Navigation im Korallengarten ohne erkennbares Riff oder Drop-off ist nicht ganz einfach. Mutig gebe ich per Handzeichen meinem Buddy die neue Richtung vor und er folgt mir ohne Widerspruch. "Hat er erkannt, dass die vorherige Richtungsangabe falsch war", geht es mir durch den Kopf. Wir tauchen durch einen weiteren Canyon, dann noch einen und geniessen die bizarre Landschaft. Mir ist dennoch etwas unbehaglich und vergewissere mich immer wieder mittels Kompass und der in meinem Kopf gespeicherten Karte, dass wir in die richtige Richtung tauchen. Dann kommen uns ein paar unbekannte Taucher von rechts entgegen. Einer davon schiebt eine ausladende Videoausrüstung mit Doppelscheinwerfer vor sich her und trägt auf dem Rücken ein Kreislaufgerät wie ich es noch nie gesehen habe. Ist das ein Eigenbau? Nicht ins Bild des erfahrenen Tauchers passt aber, dass er nur Badehosen trägt und sein Flossenschlag den typischen Anfängerfehler aufweist: Mit angewinkelten Knien radelt der Taucher durch die Gegend ohne viel Vortrieb zu erzeugen anstatt mit gestreckten Knien aus der Hüfte das Wasser nach hinten über das Flossenblatt abzuleiten. Dass wir hier immerhin Taucher antreffen, beruhigt mich ein wenig: So komplett falsch können wir nicht sein. Wir tauchen erneut durch einen Canyon, da sehe ich eine Meeresschildkröte 3 Meter vor mir herzhaft in eine Weichkoralle beissen. Das Wasser trübt sich leicht vom austretenden Saft der Koralle während die Schildkröte genüsslich kaut. Erneut höre ich auf zu atmen (ohne aber aktiv die Luft anzuhalten) und schwimme einen leichten Bogen um mich der Schildkröte von vorne zu nähern. Das Tier ist jetzt noch etwa 50cm vor mir und ich etwa auf der Höhe der Weichkoralle. Die Schildkröte zögert erst, entscheidet sich aber, dass ich nicht wirklich gefährlich bin, und holt sich ein zweites Mal einen Schnabel voll Keniabäumchensalat. Genüsslich schmatzt die Schildkröte und ich erwäge, ob ich das verbleibende Stück Weichkoralle abreissen soll um es ihr mit der Hand zu verfüttern. Würde mir die Schildkröte wohl aus der Hand fressen? Ich lasse es bleiben… Dennoch reizt es mich, mit der Schildkröte zu interagieren und so hebe ich die Hand und führe sie sanft vor den Schnabel der Schildkröte. Die Schildkröte zeigt einen Anflug von nach meiner Hand schnappen und so ziehe ich sie etwas zurück. Die Schildkröte folgt meiner Hand. Hand rauf, Kopf geht hoch, Hand runter, das Tier senkt den Kopf. Wie wunderbar das ist: Das Tier nimmt mich wahr, hat keine Angst vor mir und interagiert ("spielen" wäre wohl zu hoch gegriffen) mit diesem komischen Säugetier.

Wie ich mich von der Schildkröte abwende, sehe ich, dass meine 3 Kollegen unser Schauspiel fasziniert beobachtet haben. Vor uns ist eine Sandfläche und dahinter ein weiteres Riff. Wir müssen am Südende des langen Riff angekommen sein und vor uns liegt nun das kleinere, runde Riff. Optimistisch tauche ich voran zur Aussenseite des kleinen Riffs. Gespannt schaue ich immer wieder nach oben und suche die Wasseroberfläche nach den gespannten Tauen unseres Schiffes ab. Ein Blick nach hinten zeigt, dass eine der beiden Taucherinnen in der Zwischenzeit an der Longhose (dem überlangen Atemschlauch) meines Buddies angedockt hat. Auch mein Luftvorrat geht langsam zu Neige und ich versuche sehr ruhig zu atmen und die Tiefe von 5 Metern zu halten um möglichst wenig Luft zu verbrauchen. Nach einigen Minuten sehe ich über uns das Seil und etwa 20 Meter vom Riff entfernt die dunkle Silhouette eines Bootes. Mich dem Boot nähernd, erkenne ich die runde Unterseite der Leitern am Heck: Das ist die Blue Pearl, wir haben es geschafft!

Von diesem Tauchgang, dem schönsten des ganzen Urlaubs, habe ich keine Bilder, denn meine Kamera blieb an Bord. Ich kann nicht mal mehr sagen an welchem Tauchplatz wir waren, wir waren weder tief noch haben wir Grossfische (Haie, Mantas, Barrakudas, Napoleons, Delfine, …) gesehen.

Anbei eine Auswahl der besten Aufnahmen von meiner diesjährigen Tauchsafari.

Auge in Auge mit einem Rotfeuerfisch


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Ich liebe solche Offenblendenportraits


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Ein Schwarm Füsilier Fische


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Fächergorgonie an einem überhängenden Drop-off


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Korallenwächter


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Keine Ahnung was dies für eine Grundel ist: Aber sie hat ausdrucksstarke Augen


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Tridacna an der Steilwand


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