And now to something completely different...

Ich bin mir durchaus bewusst, dass es sich hier um ein Meerwasserblog handelt und die Mehrzahl meiner Leser sich ausschliesslich aus dem Grund hier aufhalten, um etwas über Meerwasseraquaristik zu lesen. Grundsätzlich halte ich mich ja auch dran und wenn ich mal was Themenfremdes zu berichten haben, dann drehe und wende ich es wie ein Hütchenspieler, bis ich irgendwann der thematische Link zur Meerwasseraquaristik herbeigezaubert habe. Heute solle es aber mal anders sein und ich erlaube mir einen Artikel zu schreiben, der rein gar nichts mit Meerwasseraquaristik zu tun hat - ausser, dass er von einem Meerwasseraquarianer geschrieben wird und in einem Meerwasserblog steht.

Wie ich gestern spät nach Mitternacht meinen Geschäftskalender für heute checke, stelle ich mit Schrecken fest, dass heute für 8:30 ein Conference-Call angesagt ist, bei dem ich über einen relativ komplexen Sachverhalt referieren muss. Irgendwie ist mir der Termin unter dem Radar durchgeflogen, denn normalerweise bereite ich solche Sachen rechtzeitig vor. Also bin ich heute um 5 Uhr aus den Federn und habe mich noch im Pijama und mit Kaffeetasse vor's Notebook gesetzt und 2 Stunden lang Folien gezeichnet. Dann ab unter die Dusche, mit dem Auto ins Büro und rechtzeitig für 8:30 habe ich dann mit meinen Folien die Zuhörer (darunter meinen Chef) eingelullt und einen einigermassen kompetenten und vorbereiteten Eindruck hinterlassen. Zum Glück sieht man PowerPoint-Folien nicht an, dass die Tinte noch nicht ganz trocken ist und dass sie in aller Eile im Pijama erstellt wurden.

Da ich nächste Woche im Jura einer Klasse Gymnasiasten die Basics von Wirtschaftskunde beibringen werde, muss ich noch ein paar Sachen im Geschäft aufgleisen und bin erst um 19:30 aus dem Büro gekommen. Entsprechend hatte ich auf der Heimfahrt schon Hunger und da ich den Zeitpunkt der Nahrungszufuhr nicht durch Kochvorgänge hinausschieben wollte, hielt ich an der Tankstelle um mir ein leckeres Abendbrot zu kaufen. Meine Gelüste haben mich schon auf der Autobahn zum festen Entschluss gebracht, dass mein Körper heute nach die essentiellen Spurenelemente wie sie nur in kalten Cervelats, frischem Brot, Senf und Majonäse und Bier vorkommen, bedarf. Die Bestandteile meiner Mahlzeit waren wie immer an der Tanke vorrätig und, immer zu Neuem bereit, habe ich die neuste Kreation der hiesigen Brauerei Feldschlösschen gekauft: Ein Weizen Blanche Modern Wheat!

Zu Hause angekommen, war dann meine Mahlzeit schnell vorbereitet und ich setzte mich voller Erwartung an den Tisch. Das Brot knusprig, die Majonäse und der Senf in zwei gleichkrossen Tupfen auf dem Keller und ich war bereit mich dem Genuss dieser einfachen und sehr typischen Mahlzeit der deutschsprachigen Schweiz, hinzugeben. Ein herzhafter Biss in den Cervelat und ich schauderte: WAS IST DAS DENN? Der Cervelat war geschmacklich nicht viel anders, als ich es gewohnt bin, aber das haptische Erlebnis des Abbeissens dieser knackigen Köstlichkeit ging dieser Wurst völlig abhanden. Der Biss war lau, die Zähne fanden keinen Halt und war in etwa mit dem Biss in eine reife Banane vergleichbar. Ich schaue die Wurst an, aber optisch ist sie tadellos, wenn auch mit Löchern wie bei einem Käse. Ich versuche noch einen Biss, vielleicht habe ich ja zufälligerweise auf eine Reihe von Löcher grösseren Durchmessers gebissen? Aber nichts da, die Wurst bleibt im Biss lasch wie ein Stück Nigiri-Sushi ohne Fisch. "Die haben wohl den Lieferanten gewechselt", geht es mir durch den Kopf und ich überprüfe das Etikett der Wurstverpackung: Die Wurst ist von Bell, dem grössten und renommiertesten Anbieter von Fleischwaren in der Schweiz. Erst als ich den Text auf der Verpackung lese, sehe ich, dass es sich um eine Geflügelwurst aus Hühnchen handelt. Ich liebe Hühnchen ganz, gebraten, als Nugget, vom Grill, Pouletschenkel, Pouletflügel, Buffalo Chicken Wings ganz besonders, ich koche mit Hühnerbrühe und gebratene Hühnerhaut finde ich etwas vom Besten überhaupt. Aber warum kommt ein Metzger auf die Idee, einen Cervelat aus Hühnern zu machen? Ob dies eine Art Integrationswurst ist, damit der kleine Yüksel auf der Schulreise auch seinen Cervalat am Stecken ins Feuer halten kann ohne sich wegen seines Verzichts auf Schweinefleisch rechtfertigen zu müssen? Und warum liegt sowas in der Tanke in Griffhöhe im Kühlregal und ist nicht auffällig gekennzeichnet (zum Beispiel durch das Konterfei eines Huhns), damit nicht dem Schweinefleisch zugeneigte Christen versehentlich in leere Löcher beissen?

Na gut, ich will ja nicht so sein: Die Wurst schmeckte nicht übel und über den fehlenden Biss kann man ja hinwegsehen.

In freudiger Erwartung liess ich die Bierdose zischen um mir auf den Schreck einen ordentlichen Schluck des Weizenbiers in den Rachen zu giessen. "Gluck, gluck, gluck" und statt "ahhhhhh" kommt nun aber ein "uuuuuhhh" und dies mit verzerrtem Gesicht. Wieso ist das Bier so mies, liegt da eine tote Maus in der Büchse? Das Bier hat einen höchst befremdlichen Geschmack, der erst im Nachhinein im Abgang überdeutlich zu spüren ist. Der Geschmack an sich ist undefinierbar. Ich schaue mir die Dose genauer an und lese die Inhaltsangabe: Ich stutze bei den Orangenschalen und frage mich, was Orangenschalen in einem Bier zu suchen haben? Der Geschmack erinnert aber auch nicht entfernt an Zitrusfrüchte und so lese ich weiter: "Koriander"! Wer zum Kuckuck kommt nur auf die Idee Koriander, ein Gewürz, welches ich in der indischen Küche durchaus schätze, in ein Bier zu kippen? Ich wage sogar zu behaupten, dass ich nicht nur ein Mitläufer bin in der Gilde derer, die Indische Küche lieben, sondern zu deren Vorreitern gehöre. Meine 2 Jahre Aufenthalt in England haben meine Sinne geschärft für allerlei Curries und somit auch zwangsläufig für Koriander. Wenn auch in einem typischen indischen Lokal an der Bricklane in London pro Tag mehrere Kilogramm Korianders verarbeitet werden, bin ich überzeugt, dass kein ehrwürdiger Indischer Koch auf die Idee kommen würde, Koriander ins Bier zu kippen. Warum macht ein Mensch das, wenn nicht aus purem Sadismus? Ich schlage vor, dass Feldschlösschen ihr Marketing auf das Kundensegment der BDSM-Szene ausrichtet, damit Dominas ihren Kunden Gefühle höchster Ekstase zufügen können durch die schlichte Anweisung: Trink das Bier aus der orangen Büchse!"

Ich bin wirklich nicht heikel und auch kein Kostverächter. Ausser Rahmspinat (insbesondere welchen mit einem Spiegelei obendrauf) esse ich alles und im Wesentlichen beklage ich mich auch nicht, wenn mal etwas nicht so supergut gekocht ist. Dass ich aber in derselben Mahlzeit zweimal so kulinarisch auf die Schippe genommen werde, ist einmalig. Auf jedem Fall haben meine Leser jetzt, wenn auch nicht in aquaristischer Hinsicht, einen Wissensvorsprung herausgeholt: Um Feldschlösschen Weizen Blanche Modern Wheat und das "Bell Pouletfleischerzeugnis geräuchert" sind grosse Bögen zu ziehen! Von dieser Regel soll nur abgewichen werden, wenn man Blog-Autor ist und einem grad kein aquaristisches Thema einfällt um darüber zu schreiben.

Sieht doch ansprechend aus das Feldschösschen Weizen Blanche Modern Wheat


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wtf hat Koriander mit dem Reinheitsgebot zu tun?


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Ein Cervelat aus Federvieh - ist das etwa eine Tarnwurst?


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