Kann man als Endkunde direkt beim Grosshändler kaufen?

Ich habe den Titel des heutigen Blog-Eintrags mit Bedacht gewählt: Die Betonung liegt auf dem Wort "Kann" und gemeint ist, ob es technisch und vom Ablauf her funktioniert als Endkunde seine Fische direkt beim Grosshändler zu kaufen und nicht ob dies sinnvoll ist.

Betrachten wir erst, wie üblicherweise Fische zu uns nach Hause kommen: Die Tiere werden in ihren Herkunftsländern gefangen oder gezüchtet und erreichen dann über mehre Stationen den Exporteur. Via Luftfracht erreichen die Tiere dann den Grosshändler in Europa. Ich gehe davon aus, dass dieser die Fische erst in Quarantänebecken haltert und diese dann nach ein paar Wochen per Post an die Händler liefert. Die Pakete kommen beim Händler an, die Tiere werden ausgepackt, in die Verkaufsbecken gegeben und unter Umständen bereits nach ein paar Stunden oder Tagen wieder in Säcke verpackt, wir fahren sie mit dem Auto zu uns nach Hause, passen die Tiere unseren Wasserwerten an und geben diese dann in unser heimisches Aquarium. Jeder Meerwasseraquarianer soll wissen, dass dieser lange Weg für die Tiere enormen Stress bedeutet und vermutlich auf jeder Station ein Teil der Tiere verenden und aussortiert werden. Die meisten werden auch die Erfahrung gemacht haben, dass Fische, erst mal in unserem Aquarium angekommen, eine hohe Sterblichkeitsrate haben und erst wenn sich ein Fisch 2-3 Wochen in unserem Becken etabliert hat, man davon ausgehen kann, dass er über dem Berg ist.

"Gibt es denn zu diesem Ablauf keine Alternative, eine Art abgekürztes Verfahren", wird sich da mancher Meerwasseraquarianer denken. Durch Zufall erfahre ich, dass zumindest ein Grosshändler in Europa auch über einen Direktverkaufskanal, allerdings unter einem anderem Firmennamen, verfügt. Das heisst, wir als normale Meerwasseraquarianer können direkt beim Grosshändler einkaufen. Um zu testen, wie das funktioniert, bestelle ich online am Sonntag 5. März 2017 zwei Baggergrundeln, zwei Mandarinfische und einen Stein mit roten Scheibenanemonen. Eineinhalb Wochen lang höre ich nichts und ich sehe bewusst davon ab, nachzufragen; es geht mir schliesslich um einen Test. Gestern Nachmittag, ich bin im Büro grad in einer Sitzung, erhalte ich zwei Anrufe auf's Handy von einer mir unbekannten Nummer. Wie ich dann eine Stunde später zurückrufe, wird mir mitgeteilt, dass meine Sendung unterwegs sei - Im ersten Moment begreife ich nicht, um was es hier geht und nehme an, es handle sich um die Bettwäsche, die ich ebenfalls vor kurzem online bei Amazon bestellt habe. Etwa eine Stunde später erhalte ich ein eMail, dass man mich erfolglos habe versucht zu erreichen und das Paket sei jetzt unterwegs, werde morgen bei mir eintreffen und ich solle sicherstellen, dass jemand das Paket entgegennehmen könne. Hmmmm….. Was nun, wenn ich jetzt im Ausland oder sonstwo wäre? Offenbar wird, auch wenn der Kunde nicht explizit zustimmt, das Paket auf die Reise geschickt.

Später am Abend erhalte ich dann die Tracking-ID von UPS und verfolge nun den weiteren Weg des Pakets. Die Tiere machen den Umweg über Köln, was wohl der nächstgelegene Flughafen ist und erreichen tatsächlich heute früh kurz nach 8 Uhr Rümlag (das liegt in der Nähe des Flughafen Zürichs) in der Schweiz. Ich arbeite heute von zu Hause aus und warte geduldig bis der UPS-Wagen vorfährt. Kurz nach Mittag erhalte ich einen Anruf auf's Handy von einer mir unbekannten Person: Er sei von der Firma Knobel und hätte da ein Paket mit lebenden Fischen für mich. Es dauert etwas, bis ich begreife, dass es sich bei der Firma Knobel nicht um einen Transporteur handelt, der mir nun das Paket bringen will, sondern um eine ortsansässige Maschinenbaufirma, die nebst den eigenen 5 UPS-Paketen von heute, gleich auch noch meine Fische hat entgegennehmen dürfen! Da hat der UPS-Fahrer ja einen riesen Mist gebaut! Ich kann irgendwie nicht glauben, dass das nur ein Versehen war, sondern vermute, dass dies durchaus gängige Praxis sein könne, frei nach dem Motto: "Was soll ich so eine doofe Adresse suchen, das ist ja im gleichen Dorf, die werden sich schon irgendwie organisieren!" Ich will hier niemandem etwas unterstellen, aber was man so liest über die Arbeitsbedingungen in der Paketlogistikszene, es würde mich nicht wundern.

Auf jedem Fall war der Empfänger bei der Firma Knobel so nett meine Handynummer ausfindig zu machen (zum Glück steht diese ja im Telefonbuch) und hat mir angerufen. Nicht auszudenken, was da alles hätte schief gehen können!

Auf jedem Fall sind die Tiere nun lebend bei mir angekommen und auf den ersten Blick scheinen sie okay zu sein. Die Wassertemperatur ist mit 18.8 Grad schon sehr grenzwertig und es wird sich zeigen, ob sie die erste Woche in meinem Becken überleben werden.

Technisch funktioniert der Import vom Grosshändler also: Der Preisvorteil ist offensichtlich, ob dieser Weg für die Tiere schonender ist, ist so eindeutig nicht zu beantworten. Das ein solches Vorgehen, wenn es dann Schule macht und von vielen Meerwasseraquarianern praktiziert wird, den Meerwasserhändlern schaden wird, ist offensichtlich: Schon heute sei am Verkauf von Fischen kaum was zu verdienen, berichten mir mehrere Händler, was nun, wenn auch noch die Umsatzzahlen einbrechen wenn die Kunden künftig direkt beim Grosshändler bestellen?

Das Paket hat Gesten um17:16 den Grosshändler verlassen und ist um 13:16 in Felben-Wellhausen an der falschen Adresse abgegeben worden


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Das Paket ist äusserlich unbeschädigt und solide verpackt


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Saubere Beschriftung: Ob es was nützt, steht auf einem anderen Blatt geschrieben


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Die Frachtpapiere und der Hinweis wegen CITES: Sehr gut!


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Die Anleitung ist in Deutsch und sehr gut geschrieben


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Wow: Eine Isoliermatte aussen, dann eine "Rettungsdecke"…


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ganz innen dann gut geschützt die einzelnen Tüten mit den Tieren


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Die dickwandigen Beutel sind doppelt mittels Klemmen verschlossen


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erste Baggergrundel: Lebt!


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Zweite Baggergrundel: Lebt!


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Der erste Mandarin: Lebt!


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Der zweite Mandarin: Lebt!


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Der Stein mit den roten Scheibenanemonen: Der Stein sieht gut aus, von den Anemonen ist nichts zu sehen


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Ein leerer, aufgepumpter Beutel als Platzhalter: Saubere Sache!


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Wassertemperatur von unter 19 Grad bei Ankunft, das ist sehr grenzwertig


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Das Anpassen soll 45-55 Minuten nicht übersteigen


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